Flache und echte Aufgaben
Wer eine Leitungsfunktion in einer Schule innehat – sei es die Leitung der gesamten Schule oder die Leitung einer Fachkonferenz – hat neben den umfangreichen Unterrichtsaufgaben eine Fülle zusätzlicher Aufgaben zu bewältigen, viele davon Verwaltungsaufgaben, die oft auch als „flache“ (shallow) Aufgaben bezeichnet werden und die wenig geistige Anstrengung erfordern wie Mails schreiben, auf Mails antworten, zu Terminen einladen, small talk etc.
Vielfach haben wir dann am Ende eines Tages, einer Woche oder einer längeren Periode ein Gefühl der Unzufriedenheit.
Gerade in unseren Seminaren zum Zeitmanagement werden in diesem Zusammenhang zwei Aspekte hervorgehoben:
- Die Aufgaben haben deutlich zugenommen.
- Zu den echte Aufgaben kommen wir nur selten.
Der Umgang mit der Aufgabenfülle ist hier schon mehrfach thematisiert worden. So bietet das Aufgaben- und Zeitmanagement GTD (Getting Things Done) von David Allen eine effiziente Methode, um diese Fülle zu bewältigen ohne sich von ihr überrollen zu lassen.
Der folgende Artikel beschäftigt sich nun mit der Problematik, dass man oft das Gefühl hat, trotz großen Arbeitseinsatzes zu wenig zu den wirklich wichtigen Aufgaben zu kommen.
Deep work als echte eigene Leistung
Genau zu diesem Aspekt ist im letzten Jahr ein Buch erschienen, das diesen Aspekt genauer untersucht und auch gangbare Lösungsmöglichkeiten anbietet. Es ist das Buch Deep Work – Rules for Focused Success in an Distracted World von Cal Newport. Es ist 2017 auf Deutsch erschienen unter dem Titel Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen.
Es hat seit seinem Erscheinen schon in den USA Furore gemacht. Die Grundideen sollen hier in Kürze vorgestellt und auf die o.g. Funktionen von Schulleitung bzw. Fachkonferenzleitung übertragen werden.
Als Deep work bezeichnet Newport „berufliche Aktivitäten, die in einem Zustand ablenkungsfreier Konzentration ausgeübt werden und Ihre Kapazitäten an ihre Grenzen bringen. Diese Leistung schafft neuen Wert, verbessert Ihre Fähigkeiten und ist schwer zu kopieren“.
Es geht also um die Erstellung von wirklich Anspruchsvollem. Für den hiesigen Zweck wollen wir uns auf Texte beschränken, obwohl Newport in seinem Buch auch Personen als Beispiele vorführt, die manuell Herausragendes hervorbringen.
Deep Work für Schulleitungshandeln
Es gibt vielfältige flache Aufgaben, die die Leitung einer Schule mit sich bringen, etwa Briefe und Mails beantworten, Tabellen und Fragebogen ausfüllen, Briefe beantworten, Texte abtippen, Materialien ordnen, Anweisungen geben und kontrollieren etc.
Anspruchsvolle Leitung zeichnet sich aber durch strategisches Denken und kreative Initiativen aus, die die Entwicklung der eigenen Schule bzw. des geleiteten Gremiums voranbringen, Impulse setzen und Wert schöpfen.
Als Beispiele seien genannt:
- neues Konzept für den bilingualen Unterricht an der Schule
- Planung des Schulanbaus
- Entwurf für eine neue Hausordnung
- Leitlinien für Referendare an der Schule
- Neuorganisation des Stundenrasters
- Umstrukturierung der Funktionsstellen
- Öffentlichkeitsarbeit der Schule ausbauen
- Stellung der Schule in der Gemeinde stärken
- Entwurf einer neuen Geschäftsordnung für die Schulgremien
- Konzept für die Kooperation mit dem Schulträger
Deep Work für Fachkonferenzvorsitzende
Die effektive Leitung einer Fachkonferenz stellt hohe Anforderungen an deren Vorsitzenden. Sie eröffnen, leiten und schließen nicht nur die Fachkonferenz, sie können auch die Unterrichtsentwicklung forcieren und fachliche Initiativen einleiten und begleiten. Zwar sind dies Aufgaben der gesamten Fachkonferenz, trotzdem kommt dem Vorsitzenden der Fachgruppe eine Sprecherrolle zu, er kann Motor sein für Innovationen und Weiterentwicklungen des Faches.
In unseren seit vielen Jahren durchgeführten Seminaren für Fachkonferenzvorsitzende wird von diesen immer wieder die Klage erhoben, dass man wegen der vielen Tagesordnungspunkte, die lediglich verwaltenden Charakter haben, nicht „zu der eigentlichen fachlichen Arbeit“ komme.
Was ist diese „eigentliche fachliche Arbeit“, die Deep work, um den von Newport eingeführten Terminus zu verwenden?
Auch hier handelt es um Impulse und Weiterentwicklungen, die qualitative Fortschritte einer Fachkonferenz nach sich ziehen können. Wann hat man nun aber die Zeit, in Ruhe längerfristige Entwicklungen einer Fachkonferenz vorzudenken und vorzuplanen?
Als Beispiele für diese eigentliche Arbeit wurden u. a. genannt:
- Realistisches Konzept für Qualitätskontrolle des Faches
- Entwurf eines 3-Jahresplans für die Fachkonferenz
- Vorschlag für effektives Management von Fachkonferenzprojekten
- Arbeitspapier zur Zusammenarbeit der Fachkonferenz mit der Schulleitung
- umfassendes Konzept für den Schüleraustausch mit einer Schule im Ausland
- Konzept für die Erlangung des „First Certificate of English for Schools“ an der eigenen Schule
Man mag sagen, dass alles sollte aus der Fachkonferenz herauskommen, aber die Erfahrung zeigt, dass oft erst das Vorliegen von entsprechende Entwürfen den tatsächlichen Beginn von Neuentwicklungen markieren kann.
Die oben genannten Fachkonferenzvorsitzenden bedauerten ja gerade, dass sie zu solch anspruchsvollen Vorbereitungen keine Zeit hätten und lagen damit sicher nicht falsch.
Woher die Zeit nehmen für Deep Work?
Es fragt sich, wie solche anspruchsvollen Aufgaben im Rahmen der vielen schon bestehenden Verpflichtungen noch erledigt werden können, auch wenn die Motivation dazu da wäre.
Hier nun setzt das Buch von Newport an. Er gibt zunächst Beispiele von Personen, die – trotz vieler Aufgaben – dennoch Herausragendes hervorbrachten. Sie alle hatten gemeinsam, dass sie die seichten Aufgaben, die für sie anlagen, deutlich einschränkten, um mehr Zeit für die tatsächlich wichtigen Aufgaben zu haben.
Dazu soll nun in Kürze sein Konzept skizziert werden, in seinem Buch findet man dann einige überzeugende Beispiele von Menschen, die dieses Konzept überzeugend und effektiv in ihrem Leben umgesetzt haben.
Für Newport geht also zunächst um eine deutliche Reduzierung der seichten Aufgaben, um damit den tatsächlich wichtigen erheblich mehr Zeit einzuräumen. So schlägt er vor:
- Zeiten wie Spaziergänge, Duschen oder Joggen für produktive Meditation nutzen und sich dabei nur auf das anstehende, genau definierte Problem zu fokussieren
- ein provozierendes Element: konsequent auf Soziale Medien wie Facebook, Instagram und Twitter verzichten und diese Zeit nutzen für Deep Work
- Verzicht auf ziellosen Surfen im Internet und diese zusätzliche Zeit ebenso nutzen
- Phasen der Langeweile nicht mit Handychecken und Fernsehen überbrücken
- die Diktatur der Mails einschränken: nur wirklich wichtige Mails beantworten und dies auch nicht später als 17.30 Uhr, um Körper und Geist ausreichend Ruhe- und Erholungsphasen zu gönnen
- den ganzen Tag in Blöcken vorbereiten und immer Zeit für Deep Work einplanen.
Viele Menschen nehmen ihr Handy um die siebzig Mal oder mehr am Tag in die Hand, verbringen täglich erhebliche Zeiten mit den Sozialen Medien zu, surfen oft ziellos durch das Internet.
Verzichtet man darauf, so erhält man jeden Tag ein freies Deputat von ein bis drei Stunden, das man – so Newport – nun für die Deep Work verwenden kann. Unsere Aufmerksamkeitsspanne wird nicht ständig unterbrochen, wir fokussieren länger auf einen Inhalt, haben weniger Furcht, etwas zu verpassen.
So erhalten wir in unserem Tages- bzw. Wochendeputat deutlich mehr Zeit, um wirklich anspruchsvoll Produktives für unseren Arbeitsbereich zu schaffen.
Fazit
Cal Newport zeigt in seinem Buch auf, wie man durch Reduktion von seichten Aufgaben und Verzicht auf unproduktive Tätigkeiten Zeit schafft, dass wir wirklich Wertiges hervorzubringen. Am Beispiel von Schulleitungen und Fachkonferenzvorsitzenden wurden dazu einige Überlegungen vorgestellt.
Es lohnt sich, die hier skizzierten Vorschläge von Newport im Zusammenhang zu lesen und zu prüfen, wie sie in das eigene Handeln und den eigenen Arbeitsbereich integriert werden können.
Literatur
Cal Newport: Deep Work: Rules for Focused Success in a Distracted World. Piatkus 2016. 12,99 €.
Cal Newport, Jordan Wegberg (Übersetzer): Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen. Redline Verlag 2017. 19,99 €.
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