Das Vier-Seiten-Modell des Psychologen Friedemann Schulz von Thun kann der Schulleiterin1 eine hilfreiche Unterstützung bieten, um die verschiedenen Ebenen von Gesprächen mit Kolleginnen zu verstehen und sich selbst besser zu reflektieren.
Hohe Anforderungen an Schulleiterinnen
Es ist kaum umstritten, dass die Leitung einer Schule sehr hohe Anforderungen an eine Schulleiterin stellt. Sie
- ist Managerin, Dienstvorgesetzte, Innovatorin, Konferenzleiterin, Beurteilerin, Gesprächspartnerin, öffentliche Person, Lehrerin, Amtsperson
- vertritt die Schule nach außen
- ist verantwortlich für die organisatorische und pädagogische Koordination im Rahmen der Verantwortung für die Durchführung der Bildungs- und Erziehungsarbeit
- überprüft und überwacht die Konferenzbeschlüsse und deren Durchführung
- entscheidet über die Unterrichtsverteilung
- handhabt Personalangelegenheiten
und vieles mehr.
Gesprächsführung als zentrale Schlüsselkompetenz von Schulleiterinnen
Unterschiedliche Untersuchungen zum Arbeitsplatz einer Schulleiterin belegen, dass die Aufgaben zu einem hohen Anteil (bis zu 80% der Arbeitszeit) aus Gesprächen bestehen.
Es lohnt sich von daher, diesem Tätigkeitsbereich eine verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen, denn die Gesprächsführung ist eine, wenn nicht gar die zentrale Schlüsselkompetenz von Schulleiterinnen.
Wer kennt nicht das Gefühl nach einem Gespräch, dass unbefriedigend verlaufen ist; man dann aber oft keine Zeit mehr hat, dies weiter zu reflektieren. Und so macht es Sinn, sich mit Werkzeugen auseinanderzusetzen, die bei der Analyse von Gesprächen Hilfestellung geben.
Die Ebenen des Vier-Seiten-Modells
Ein bewährtes Werkzeug sei hier vorgestellt: das Vier-Seiten-Modell oder Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun. Dieses baut auf Modellen von Paul Watzlawick und Karl Bühler auf und postuliert, dass jede Aussage in einem Gespräch unter einem Inhaltsaspekt und einem Beziehungsaspekt verstanden werden kann. Das Modell von Schulz von Thun orientiert sich auch stark an Alfred Adlers Individualpsychologie und Ruth Cohns Themenzentrierter Interaktion (TZI) sowie dem wissenschaftlichen Ansatz seines Lehrers Reinhard Tausch, den dieser in den siebziger Jahren in seinem Buch Gesprächspsychotherapie entwickelte.
Schulz von Thun geht von der Nachricht aus, die eine Person in einem Gespräch äußert oder die hier deutlich wird. Das kann ein Wort sein, ein Satz, ein Statement oder eine ganze Rede.
Nach Schulz von Thuns Modell hat jede Nachricht vier Ebenen:
- die Sachebene (worüber ich informiere)
- die Beziehungsebene (was ich von dir halte und/oder wie wir zueinander stehen)
- die Selbstoffenbarungsebene (was ich von mir selbst kundgebe)
- die Appellebene (was ich bei dir erreichen möchte)
Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun
Es ist für die Schulleiterin wichtig, diese unterschiedlichen Ebenen zu kennen und zu erkennen.
Die Ebenen sollen an einem Gesprächsbeispiel aus dem Leitungsalltag verdeutlicht werden.
Gespräch Schulleiterin, Frau Wenrath, mit dem Leiter der Steuergruppe, Herrn Paulsen
Frau Wenrath (gut gelaunt): Was gibt es Neues aus der Steuergruppe?
Herr Paulsen: Wir sollten jetzt endlich mal zu einem Ende kommen.
Die Nachricht von Herrn Paulsen hat vier Ebenen:
Sachebene: Die Steuergruppe arbeitet schon sehr lange.
Selbstoffenbarungsebene: Mir kommt unsere Arbeit nun schon endlos lange vor, es ist zäh, ich bin der Leitung der Steuergruppe überdrüssig, ich will nicht mehr, will das aber nicht so deutlich sagen, aber irgendwie muss ich meinen Unmut zeigen.
Beziehungsebene: Sie sind die Vorgesetzte. Ich erwarte, dass Sie qua Amt einschreiten. Ich halte Sie aber eher für zu vorsichtig, zu unschlüssig. Vielleicht hätten Sie sich noch stärker in die Steuergruppenarbeit einbringen müssen, denn als Leiterin der Steuergruppe bin ich auf Ihre Unterstützung angewiesen. Eigentlich bin ich sehr unzufrieden mit Ihnen.
Appellebene: Sie sollten endlich dafür sorgen, dass die Arbeit der Steuergruppe zu einem Ergebnis führt. Sie sind ja schließlich die Schulleiterin.
Das Vier-Seiten-Modell im Schulalltag
Es ist gut, sich während eines Gesprächs die verschiedenen Ebenen der Nachricht klarzumachen.
Schnelle Erwiderungen auf vermeintliche Vorwürfe können leicht Schaden anrichten und unerwünschte Prozesse in Gang setzen.
Sinnvoll könnte es vielmehr sein – gerade wenn andere Aufgaben drängen – das Gespräch zeitnah noch einmal in Ruhe aufzunehmen und sich zunächst der zugrundeliegenden Nachrichtenebenen klar zu werden.
Die Kenntnis dieses Modells darf auch nicht dazu verführen, dieses vorschnell strategisch einzusetzen. Ziel ist vielmehr eine verbesserte zwischenmenschliche Kommunikation im Schulalltag, die von der Leitung der Schule gefördert wird – ein nicht zu unterschätzendes Element einer fruchtbaren Schulentwicklung.
Weiterentwicklung des Vier-Seiten-Modells
Schulz von Thun hat sein Sender-Modell (der Sender setzt die Nachricht in Gang) dann auf die unterschiedlichen Ebenen des Empfängers (im Beispiel die Schulleiterin) übertragen und nennt dies das Vier-Ohren Modell. Dieses Modell wird später vorgestellt. Es ist insofern interessant, als die Empfängerin mit unterschiedlichen „Ohren“ eine Nachricht aufnimmt und verarbeitet, so dass es von daher zu weiteren Missverständnissen kommen kann.
Ebenfalls wird an dieser Stelle nicht eingegangen auf die spätere Erweiterung des Vier-Seiten-Modells, das Schulz von Thun um eine fünfte Ebene ausgebaut hat.
Zusammenfassung
Gespräche sind zentrale Arbeitsfelder von Schulleiterinnen. Mit dem Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun steht ein starkes Werkzeug zur Verfügung, mit dem Kommunikationsprozesse besser verstanden werden können und das für beide Seiten auch zu guten Ergebnissen führen kann.
Literaturangaben:
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. rororo 2010.
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differentielle Psychologie der Kommunikation. rororo 2010.
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 3: Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. rororo 2013.
Schulz von Thun, F. et al.: Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. rororo 2003.
Tausch, R./Tausch. A.M.: Gesprächspsychotherapie: Hilfreiche Gruppen- und Einzelgespräche in Psychotherapie und alltäglichem Leben. Hogrefe Verlag 1990.
Watzlawick, P.: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Hans Huber Verlag 2011.
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