Bach, I./Braken, B./Hansen, V. „BIOME: Schülerinnen und Schüler verschiedener Länder untersuchen ihren Lebensraum.“ Telekommunikation in der Schule. Hg. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 1995 Vorabdruck, S. 66-76.
Im Dezember 1992 war in einem Nachrichtenbrett des Education Forum beim Online-Dienst CompuServe eine Einladung zum sogenannten BIOME- Projekt zu finden, ein fächerübergreifendes naturwissenschaftliches Unterrichtsvorhaben, das länderübergreifend über Modem abgewickelt werden sollte.
Danach sollten Schulen entsprechend ihren eigenen Interessen, Möglichkeiten und Ressourcen naturwissenschaftliche Untersuchungen in ihrem eigenen Lebensraum durchführen und die hierbei ermittelten Ergebnisse wöchentlich an den Initiator des Projektes (Kirk Beckendorf, Fredericksburg, Texas) weiterleiten.
Kirk Beckendorf fungierte als Informationszentrale. Die während der Woche einlaufenden Nachrichten wurden von ihm gesammelt, zusammengefaßt und anschließend an alle beteiligten Schulen via E-Mail verschickt. Dadurch wurde die Möglichkeit eröffnet, neben den eigenen Untersuchungsergebnissen auch fremde Beiträge in den laufenden Unterricht zu integrieren. Als Verständigungssprache kam nur Englisch in Betracht. Beteiligt waren Schulen aus folgenden Städten: Big Wells, Texas; Braintree, Massachusetts; Bronte, Texas; Conroe, Texas; Düsseldorf; Elkhorn, Nebraska; Fredericksburg, Texas; Kirtland, Ohio und Seattle, Washington. Als Fächer für fachübergreifendes Arbeiten waren vorrangig Biologie, Chemie, Geologie, Fossilienkunde und Geographie vorgesehen.
An der Gesamtschule Kikweg in Düsseldorf, das war die beteiligte deutsche Schule, wurden drei Projektgruppen gebildet Eine Lehrerin unterrichtete ihre Schülerinnen und Schüler im Klassenverband der 8. Jahrgangsstufe im Fach Biologie, einige der Jugendlichen im Wahlpflichtbereich Naturwissenschaften Biologie/Chemie sowie einige im Fach Englisch. Für einen kürzeren Zeitraum arbeitete eine weitere Lehrkraft mit einer Lemgruppe des gleichen Jahrganges in den Bereichen Physik, Geographie und Englisch mit. Diese Gruppe trug Daten der heimischen Wetterübertragung zusammen, übersetzte diese ins Englische und stellte sie für das Biome-Projekt zur Verfügung. Eine dritte Lemgruppe steuerte im Rahmen der Fächer Biologie und Englisch Untersuchungen zum heimischen Vogelflug bei, übersetzte diese ebenfalls und ließ sie in das Projekt einfließen.
Während die beiden letztgenannten Gruppen je ein im schulinternen Lehrplan vorgegebenes Unterrichtsthema in das Biome-Projekt integrierten, wobei der Unterricht aber im wesentlichen wie gewohnt weiterlief, entschied sich die erstgenannte Lehrerin für eine vollständige Ausrichtung ihres Fachunterrichts auf das Projekt.
Beide Wege sollten Aufschlüsse über die Möglichkeiten der Einbindung von Telekommunikation in den Unterricht vermitteln. Zu Beginn des Projekts bestanden bei allen beteiligten Lehrkräften durchaus Unsicherheiten hinsichtlich der Effizienz eines solchen Vorhabens sowie - wegen zu erwartender Sprachschwierigkeiten - der tatsächlichen Durchführbarkeit des Projekts mit deutschen Schülerinnen und Schülern. Es wurde aber auch die Frage diskutiert, ob es sich überhaupt rechtfertigen lasse, vorgesehenen Unterrichtsstoff zu reduzieren zugunsten eines wenig überschaubaren naturwissenschaftlichen Projekts mit weit entfernten Lerngruppen und nicht bekannten Lehrkräften.
Durchführung des Projektes
Zunächst erfolgte eine erste Kontaktaufnahme per Electronic Mail mit allen zu diesem Zeitpunkt bekannten Projektleiterinnen und Projektleitem der teilnehmenden Schulen.
In dieser Phase des gegenseitigen Kennenlernens stellten sich die verschiedenen Lehrerinnen und Lehrer kurz vor. Manche gaben bereits globale Daten ihres Lebensraums an und beschrieben ihre methodische Vorgehensweise. Die meisten Schulen bevorzugten einen forschendentwickelnden Unterrichtsansatz, bei dem die Schülerinnen und Schüler Probleme erkennen,
formulieren und möglichst eigenständig lösen sollten. Alle Teilnehmer erhielten die folgende ,,offene" Themenliste aus Fredericksburg:
#: 88348 S11/SchoolNET/Online Ed
13-Dec-92 06:25:45
Sb: Biomes Project
Group 1 - Your location - latitude and longitude. General location of biome in the world. Elevation. Climate - I will be having a group making weather measurements all year.
Group 2 - Plants - names, pictures, specimens, endangered species, adaptations to the area, etc ...
Group 3 - Animals - names, pictures, specimens, endangered species , adaptations to the area, etc ...
Group 4 - General landscape - pictures human uses and impacts, oil types - descriptions, effects on plants, samples
Group 5 - Water - samples and analyses. Fossils - samples (names, age and their habitat, how the area has changed. Rocks - samples, types (sedimentary, igneous, or metam.)
Dieser Themenkatalog stellte keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit und keine Schule sollte sich verpflichtet fühlen, alle Themenbereiche im Projektverlauf zu bearreuen. Vielmehr sollte jede Gruppe eigene Akzente setzen, um ein typisches Profil des eigenen Lcbensraums zu erstellen.
Hilfreich war die Angabe verschiedener Bezugsquellen, die bei der Bearbeitung nützliehe Informationen liefern konnten:
References:
This is not intended to be a complete list but these groups but these groups may be helpful in obtaining some of the information required in the project.
Agricultural Extension Service Soil and Crop Service (SCS). Fis and Wildlife Services, Water Conservation Districts, US Geologic Service (USGS), NASA, NOAA State Water Commissions, The Nature Censervancy State travel magazines (such as Texas or Arizona Highways).Kirk Beckendorf
Fredericksburg Middle School
Fredericksburg, Texas
kirkb@tenet.edu
Bezüglich des Alters der Schülerinnen und Schüler sowie der Schulform existierten bei diesem Projekt keinerlei Einschränkungen, so daß Kinder und Jugendliche im Alter von 10-17 Jahren der verschiedensten Schulformen gemeinsam an diesem Projekt arbeiteten.
Zunächst galt es, die Schülerinnen und Schüler auf die neuartige Projektidee einzustimmen. Die Übertragung von Daten via Electronic Mail war einigen von ihnen bereits bekannt, so daß sie mit Computer, Modem und Telefonleitung vertraut waren. Im Klassenraum wurde als visuelle Hilfe eine übersichtliche USA-Karte aufgehängt, auf der alle Standorte der teilnehmenden Schulen durch Fähnchen markiert waren. Außerdem veranschaulichte eine im Klassenraum hängende Uhr mit "texanischer" Zeitangabe die Zeitunterschiede von Unterricht und Datenübermittlung.
Sehr reizvoll für die Schülerinnen und Schüler war der Gedanke, daß die im Verlauf des Vormittags übermittelten Daten noch vor Schulbeginn der amerikanischen Schülerinnen und Schüler dort eingetroffen waren und dann schon am nächsten Tag ausgewertet werden konnten.
Nachdem gemeinsam der Begriff BIOME näher erläutert und defmiert worden war, erfolgte der weitere Einstieg in das Projektthema durch den Einsatz vielfältiger Medien: entsprechende Diaserien, Videofilme und vorbereitete Bücherkisten. Es ergaben sich angeregte Diskussionen, ein eifriges Stöbern in den Büchern und Broschüren und ein erstes Gruppieren der Schülerinnen und Schüler.
Bei der endgültigen Themenauswahl bezüglich des Lebensraums "Düsseldorf und seine nähere Umgebung" erfolgte folgende Schwerpunktsetzung durch die Schülerinnen und Schüler:
- Ökosystem Wald: Pflanzen hiesiger Wälder (typische Bäume, Sträucher, Kräuter, Blumen, Farne, Moose); Fauna (typische Waldbewohner); Monokultur/Mischwald; saurer Regen und seine Folgen für die hiesige Flora und Fauna; Überwinterung von Säugetieren, Reptilien, Insekten und Amphibien; Vogelzug in Winterquartiere.
- Analyse verschiedener Bodenproben: Böden des Eller Forsts (Düsseldorf), Acker- und Gartenböden, Böden in der Nähe einer vielbefahrenen Autostraße, Zusammensetzung und Nährstoffgehalt; pH-Wert; Ionennachweise; Umweltgifte (Blei, Cadmium, Quecksilberionen) ; Mikroorganismen
- Analyse von Gewässerproben: Unterbacher See (Düsseldorf). Teich im Gelände der Bundesgartenschau (Düsseldorf), Regenwasser, Düsseldorfer Trinkwasser: pH-Wert; Ionennachweise; MikroorganismenlPflanzen der Uferzonen.
Da die Schülerinnen und Schüler keine langfristigen Klimauntersuchungen durchgeführt hatten, entschied man sich, Klimabeschreibungen über den Lebensraum Dusseldorf der Fachliteratur zu entnehmen, um ein möglichst komplettes Bild des Düsseldorfer Lebensraums zu gewinnen. Die Themenbearbeitung übernahmen zwei leistungsstarke Schüler zusätzlich zu ihren sonstigen Projektaufgaben.
Wie sich aus den folgenden Projektaufgaben erkennen läßt, waren die nun folgenden Forschungs- und Erarbeitungsphasen sehr vielfältig und stellten z. T. hohe Anforderungen an die Lemgruppen:
- Beschaffung von Untersuchungsmaterial (pflanzliche Substanz. Samen, Blätter, Knollen, Rinde, mehrfache Boden- und Gewässerproben)
- Planung von Experimenten, Durchführung und Auswertung in Form von Protokollen
- Literaturrecherche
- Anfertigung von Fotos, Diagrammen, Collagen und Abbildungen
- Erstellung von Referaten (die in die weekly reports für den Datenaustausch einflossen)
- Übersetzung der von den Schülerinnen und Schülern ermittelten Daten
- Dateneingabe in den Computer
- Übersetzung der eingehenden Daten aus den USA in das Deutsche
Diese Aufgaben wurden in arbeitsteiliger Gruppenarbeit durchgeführt, wobei die Gruppengröße zwischen zwei und fünf Schülerinnen und Schülern variierte. Während des Projekts versuchte jede Gruppe bis zum jeweiligen Freitag, einen kurzen Arbeitsbericht zu erstellen. aus dem der derzeitige Stand der Teilprojekte hervorging.
Die Zwischenberichte (weekly reports) wurden in der Regel freitags via Modem zur Schule in Fredricksburg geschickt. Dort wurden am Wochenende alle Daten von Kirk Beckendorf gesammelt, eine Zusammenfassung erstellt und diese am darauffolgenden Montag an die teilneh-menden Schulen übersandt.
Montagmorgen war dann jede Lemgruppe über den Stand der anderen Projektgruppen informiert. Dies spornte die Schülerinnen und Schüler außerordentlich an. Die Motivation stieg, denn die Berichte ließen für unsere Schülerinnen und Schüler ,,exotische" Ergebnisse erwarten, war doch in den reports etwa die Rede von rattle-snakes, Berglöwen und subtropischen Pflanzen.
Nachstehend sind zwei Beispiele der Zwischenberichte wiedergegeben:
Date:01-Mar-93 02:23 CET
From:Kirk Beckendorf >INTERNET:kirkb@tenet.edu
subj:Weekly reports 3-1
Sender: kirkb@tenet.edu
Mime Version: 1.0
content-Type: TEXT/PLAIN; charset=US-ASCIIIt looks like it has been a busy week. Lots of great reports from Massachusetts (welcome to Mr. Sirrico and his students) and from Ingrid Bach and Hans Spiekermann's students in Dusseldorf (you know you are on the right track when the
students don't know the bell rang).
Here in Fredericksburg we will be summarizing reports which were written last week. Hopefully we can get some of these to you this week. Some of my students have talked of having their grandparents translate their report into German ... we will see.From Fredericksburg 6th graders. Fredericksburg, Texas. 98 degrees west 30 degrees north. kirkb@tenet.edu
The plant group discovered that most trees are oak, cedar, and pecan trees. We grow a lot of peach trees. In the spring we have a lot of bluebonnets and Indian paintbrushes.
Joni, San Juanita, Marcus, NickThe limestone in Fredericksburg was made 100 million years ago. Enchanted Rock, (which is 18 miles north of Fredericksburg) the second biggest granite rock in the world was made 1 billion years ago.
Kate, Jessie, Davies, John, JeremyWe are studying climate. Right now we are recording the high and low temperatures of the current school year. We are done with 3/5 of our biome project.
AmY, Bobby, Garet, Games, TrevorAnimal group - We have seen what the pond animals look like under the microscope. We also learned how to make a wet mountain slide. We have deer, squirrel, fire ants and others.
Reyna, amber, Joe, Suzana
Im Verlauf des Projekts schalteten sich weitere Schulen ein, die teilweise über andere Kommunikationsnetze korrespondierten und vom BIOME-Projekt Kenntnis bekommen hatten, etwa die Academy of Science and Technology, die mit anderen Ländern Nachrichten austauschte. Diese Daten wurden auch in das BIOME-Projekt integriert. Hier ein Ausschnitt:
From Larry Walker, Academy of Science and Technology
Hello, it's the Academy of Science and Technology. We are involved in a project, that is similar to biome. The project that we are involved in is called the TERC Global Lab. The Global Lab involves high school students all across the world including: Russia, Denmark, Mexico, Canada, Poland, Japan, Jamaica, Qatar, Saudi Arabia and more. We each choose a site to research for the year. There are three phases to the project: the Eco-Inventory (where we characterize the site), the Eco-Profile (where we design and conduct experiments). Our site is Lake Woodlands, which is a 384 acre man-made lake in a comunity of 35,000 residents. This lake is a large holding pond, that receives runoff from the entire community. Here's some of the information you might need, organized by group:
Group 1: Yaupon, shortleaf pie, goatweed, grass, moullata, Mexican fire wheel, water oak, linum, Drummond Rattle Box, rush, wax myrtle, broomsedge bluestem, loblolly pine,St. Andrew's Cross, and panicle grass were found present at our side. Also there is an invasive species that has not been identified yet. It is a water plant that floats on the surface of the water. It seems to be flourishing.
Group 2: Water tests
Dissolved Oxygen Test: 6.1 ppm
Carbon Dioxide: 104 ppm
Phospate: less that 1 ppm
pH: 6
Hardness: 34 ppm Calcium Hardness: 22 ppmThere are no rocks at our site, therefore there are no fossils either.
Nachdem die experimentelle Phase beendet war, erstellte jede Gruppe - neben einem ausführlichen Referat - ein knappes Ergebnisprotokoll. Letztere galt es nun ins Englische zu übersetzen. Dies stellte viele unserer Schülerinnen und Schüler vor erhebliche Probleme. Daher wurde der Kreis der am Projekt teilnehmenden erweitert um leistungsstärkere des Erweiterungskurses Englisch der gleichen Jahrgangsstufe sowie sehr motivierte Schülerinnen und Schüler aus dem Grundkurs. Die Hilfe von native speakers sowie von Lehrkräften mußte ebenfalls in Anspruch genommen werden. Die übersetzten Informationen wurden anschließend zügig eingegeben und übermittelt.
Schon ab Mitte April bis Mitte Mai - je nach Umfang des Projekts - wurden die ersten Abschlußberichte übermittelt. Die Länge der Berichte variierte von zwei bis zehn DIN A4-Seiten. Vielfältige Daten und Informationen der unterschiedlichen Regionen trafen ein.
Gegen Ende des Projekts überraschte die Lerngruppe aus Fredericksburg durch die Übermittlung von weiterem Auswertungsmaterial: diesmal nicht per E-Mail, sondern per snail mail in Form von zwei riesigen Paketen. Sie enthielten wertvolles Anschauungsmaterial für unseren Unterricht: ein konservierter Skorpion, diverse Insekten, the rattle of a snake, Probengläser mit den verschiedensten Boden- und Gewässerproben, Blätter von Opuntienkakteen (Diese wurzelten im Wasser und sind heute zu einem 50 cm hohen Kaktus herangewachsen und begrünen das Klassenzimmer.), Wildblütensamen, Versteinerungen von Muscheln, Schnecken, Pflanzen, Mineralien, englischsprachige Schülerreferate sowie grafische Darstellungen, Broschüren über die Region Enchanted Rock, einem großen Granitfelsen, Gesteine aus Tropfsteinhöhlen, Fotos der texanischen Flora und Fauna, Cactus-Jelly (Kakteengelee) mit Rezeptanleitung und getrocknete Blüten.
Spontan und einstimmig setzten daraufhin die Schülerinnen und Schüler viel Energie ein, um ein ebenso informatives Antwortpaket zusammenzustellen. Es enthielt u.a. Boden- und Gesteinsproben aus dem Raum Düsseldorf, getrocknete Blätter, Kräuter, Blüten und Gräser, Samen einer Wildwiese, Fotos und Poster über Düsseldorf, Referate und Samen aus unserem Schulgarten. Auch wenn der Inhalt den Schülerinnen und Schülern weniger exotisch erschien, waren die Partnerschüler in Fredericksburg ebenfalls fasziniert vom Inhalt unseres Pakets.
Im ersten Teil der Auswertungsphase stellte jede Gruppe in einem mündlichen Referat den übrigen Gruppen ihre Arbeitsergebnisse in verschriftlichter Form vor.
In der zweiten Phase - der Auswertung der amerikanischen Beiträge - wurden vorrangig drei Lebensräume ausgewertet: Fredericksburg, Texas; Braintree, Massachussetts und Kirtland, Ohio.
Alle übrigen Berichte konnten nur auszugsweise besprochen werden, da jeden Montag eine Informationsflut auf alle am Projekt Beteiligten zukam. Auswahlkriterien waren der Umfang, der Schwierigkeitsgrad sowie der mögliche Einsatz im laufenden Unterricht, aber auch besonders motivierende Berichte.
Die Vorauswahl, die von den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern getroffen wurde, war unbedingt notwendig, da ansonsten die Übersetzungstätigkeiten und das zur Verfügung stehende Stundenpotential in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander gestanden hätten.
Die Übersetzungstätigkeit war in dieser Phase sehr viel umfangreicher und schwieriger als die der weekly reports. Die Schülerinnen und Schüler wurden auch angehalten, Mut zu zeigen, bestimmte Bereiche lückenhaft abzuhandeln, denn selbst in dem umfangreichsten zur Verfügung stehenden Lexikon waren eine Reihe von englischen Fachtermini nicht aufzufinden (botanische Bezeichnungen, chemische Termini etc.). Dennoch ergab sich ein relativ ganzheitliches Bild bezüglich des jeweilig ausgewerteten Lebensraums.
Die Daten zu den unterschiedlichen biomes wurden an einer Seitentafel übersichtlich präsentiert, wobei folgende Bereiche von besonderer Bedeutung waren: location, climate, soll, plants, animals, rocks und fossils.
Diese Begriffe wurden auf pinkfarbenen flashcards in englischer Sprache festgehalten. Die Daten der unterschiedlichen Lebensräume - festgehalten auf grünem Tonpapier - wurden diesen Begriffen zugeordnet.
Das Material der beiden Pakete aus Fredericksburg ermöglichte eine dritte Stufe der Auswertung. Das vorhandene Material - vor allem Boden- und Gesteinsproben - ergab die faszinierende Gelegenheit, parallel Experimente mit den texanischen Proben durchzuführen sowie übermittelte Daten mit eigenen Werten zu vergleichen (z.B. Ionen oder pH-Werte) und unbekanntes Material zu klassifizieren.
Auswirkungen des Biome-Projekts
Die Arbeit in Kleingruppen bewirkte, daß soziales Lernen in vielfaltiger Fonn stattfand und daß leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler leistungsschwächeren helfen konnten. Interessen- und leistungs bezogene Möglichkeiten der Binnendifferenzierung Lvnen der sehr heterogen zusammengesetzten Gesamtschullerngruppe sehr entgegen.
Die Großgruppe zeigte Gruppenidentität, da ein gemeinschaftliches Projekt bearbeitet wurde, das auch gelingen sollte. Die Gruppenstabilität hielt noch lange nach Beendigung des Projekts an.
Ebenso blieb das ,,Flair" des Projekts noch lange Zeit erhalten: USA-Landkarten, ein texanischer Kaktus, Tafelbilder sowie Poster dekorierten noch lange den Klassenraum.
Das Material der beiden Pakete aus Texas wurde sortiert und in den Ausstellungsvitrinen der Schule ausgestellt. Andere Schülerinnen und Schüler wurden so aufmerksam und erkundigten sich nach dem Projekt; viele zeigten ebenfalls Interesse, ein derartiges Projekt in der eigenen Klasse durchzuführen.
Als langfristige Auswirkungen auf die Lerngruppe konnte zunächst einmal ein vermehrtes Interesse bezüglich des Großraums USA festgestellt werden, das bis zum jetzigen Zeitpunkt (zwei Jahre danach) bei vielen angehalten hat. Es wurde mehrfach der Wunsch geäußert, mit den amerikanischen Lemgruppen weiterhin Kontakte aufzunehmen oder mit einer Schule einen Schüleraustausch zu initiieren. Zwei Schüler wollen nach der Klasse 10 ein Jahr in einer amerikanischen high school verbringen. Andere versuchten, die Abschlußfahrt in die USA zu verlegen.
Während des gesamten Projektverlaufs waren die Schülerinnen und Schüler hochmotiviert. Es herrschte durchweg eine engagierte Atmosphäre vor, in der emsig organisiert, untersucht, ausgewertet und zusammengestellt wurde. Die Schülerinnen und Schüler wirkten sehr konzentriert und vertieft in ihre Arbeit; sie bemühten sich um maximale Qualität ihrer Arbeitsergebnisse.
Der Gedanke des Austauschs war für sie sehr reizvoll. Arbeitsergebnisse schienen einen neuen, hohen Stellenwert zu erhalten, denn die Ausarbeitungen ,,landeten" nach erhaltener Note nicht in irgendeiner Schublade, sondern wurden über den Atlantik zu etwa gleichaltrigen Jugendlichen übermittelt und dort ausgewertet, eben ernst genommen.
Generell wirkte sich die Verschiebung des Unterrichtsgeschehens in Richtung ,,Projektlernen" sehr positiv auf die Lemmotivation der heterogenen Lemgruppe aus. Herkömmlicher Unterricht, in dem viele Schülerinnen und Schüler zur gleichen Zeit gleiche Unterrichtsinhalte bearbeiten sollen, wurde hier ersetzt durch ein projektorientiertes Unterrichtsgeschehen, das individualisiertes Lernen ermöglichte, zugleich als fächerübergreifend (bezogen auf die Fächer Chemie, Biologie, Englisch, Geographie, Computer-Arbeitsgemeinschaft), lerngruppenübergreifend und schulübergreifend und schließlich sogar als länderübergreifend bezeichnet werden darf.
Trotz der vielen positiven Aspekte soll aber auch auf die auftretenden Probleme verwiesen werden, die sich im Verlaufe des Projekts ergaben. Die größten Schwierigkeiten lagen zunächst im Übersetzen der eigenen Berichte in die englische Sprache sowie in der Rückübersetzung der amerikanischen Berichte.
Naturwissenschaftliche Begriffe waren weitgehend unbekannt, botanische Namen schwer oder gar nicht zu fmden. Als große Hilfe erwiesen sich hier allerdings englischsprachige Jugendsachbücher wie Picking the Wild Flowers, Mammals of GB sowie naturwissenschaftliche Schulbücher in englischer Sprache.
Da die Kommunikation ausschließlich in englischer Sprache stattfand, stellten für eine Reihe von Schülerinnen und Schülern die Übersetzungen ein erhebliches Problem dar, das teilweise durch die Weitergabe dieser Aufgaben an fortgeschrittene Englischkurse gemildert werden konnte.
Ein weiteres Problem war die große Materialfülle der eingehenden Daten. Hier empfiehlt es sich, rechtzeitig Akzente zu setzen - je nach der zur Verfügung stehenden Zeit, dem Schwierigkeitsgrad, dem Inhalt und der Altersstufe der Lerngruppe.
Feiertage und Ferien verursachten schwierige Lücken in der Bearbeitungsphase. Besonders die Osterferien ließen viel Material auflaufen, das dann nur mühsam abgearbeitet werden konnte. Bei der Planung des Projekts sollten deshalb alle beteiligten Schulen vorab den genauen Projektzeitraum und die anfallenden Unterbrechungen, etwa durch Ferien, Wanderfahrten oder Feiertage. abklären.
Wünschenswert wäre die Organisation nach einem Stundenraster, bei dem die Projektstunden zwei- oder dreistündig gelegt werden, so wie es den amerikanischen Schulen ermöglicht wurde.
Zusammenfassung
Insgesamt gesehen hat die Teilnahme am Biome-Projekt deutlich gemacht, daß Electronic Mail auch für anspruchsvollere, thematisch orientierte Unterrichtsvorhaben nutzbar gemacht werden kann. Der Klassenraum wurde hier tatsächlich über einen längeren Zeitraum für ein weltweites Projekt geöffnet. Naturwissenschaftliche Lemgruppen, die z. T. viele tausend Kilometer voneinander entfernt waren und andernfalls nie Kontakt miteinander aufgenommen hätten, waren durch das Medium der Telekommunikation in der Lage, eng miteinander zusammenzuarbeiten. Sie führten - oft außerhalb des Klassenraums - Untersuchungen durch, werteten diese aus und stellten sie den beteiligten Gruppen zur Verfügung. Dadurch konnten die Ergebnisse in den eigenen Unterricht einbezogen werden. Das ergab vielfach auch die faszinierende Möglichkeit, die erhaltenen Ergebnisse mit den eigenen zu vergleichen.
Den Schülerinnen und Schülern wurde so die Relevanz der eigenen Arbeit - im herkömmlichen Unterricht oft nicht vermittelbar - deutlich, da die erbrachten Arbeiten anderen zur Verfügung gestellt wurden.
Durch den geschickten Ansatz des Initiators wurde es zudem möglich, nicht nur unterschiedliche Schulen miteinander zu verbinden, sondern auch verschiedene Altersgruppen (Jugendliche im Alter zwischen neun (!) und siebzehn Jahren). Die Untersuchung des eigenen Lebensraums bot vielfältige Möglichkeiten des altersgemäßen Zugangs. Auch der Verzicht auf eine Anmeldefrist erwies sich als günstig, da so Schulen die Möglichkeit hatten, nach den Bedingungen vor Ort zu entscheiden, wann und wie lange sie am Projekt teilnehmen wollten. Der Zugang von neuen Schulen während des Projektverlaufs erwies sich als sehr belebendes und motivierendes Element
Gerade für deutsche Schulen kann sich die Teilnahme jüngerer amerikanischer Schülerinnen und Schüler mit ihren naturgemäß sehr einfach gehaltenen Beiträgen als sehr günstig erweisen, da hier auch für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit besteht, am Diskurs teilzunehmen.
Fächerübergreifende Ansätze des Biome-Projekts oder ähnlicher Projekte können die Schulen vor erhebliche Schwierigkeiten stellen, da zumeist die naturwissenschaftlichen Fächer getrennt unterrichtet werden; gefordert war hier aber ein fächerübergreüender Zugriff. Viele Fragestellungen und Untersuchungen können nicht auf ein Fach verengt werden, vielmehr ist ein integrativer Ansatz notwendig. Eine Möglichkeit besteht darin, die Unterrichtsfächer nach Bedarf zu kombinieren. So wird etwa aus einer Biologiestunde eine Art Biochemiestunde mit Englischunterricht, oder es tritt für einen bestimmten Zeitraum ein Fach wie Fossilienkunde hinzu. Der starre Stundenplan ist ein ungünstiger Faktor, wenn Projektarbeiten nach einer Stunde abgebrochen werden müssen, wo zwei oder drei sinnvoll wären.
Eine die Telekommunikation integrierende curriculare Planung kann sich als sehr schwierig erweisen, wenn nicht gar unmöglich sein, da für die Schule bei der Erstellung der schulinternen Lehrpläne nicht absehbar ist, ob und wenn ja, welche Projekte zu bestimmten Fächern angeboten oder selbst initiiert werden. Es bleibt aber zu prüfen, ob nicht doch schulintern eine gewisse Verbindlichkeit für solche Projekte vereinbart werden sollte. Diese sollten aber nicht auf Electronic Mail beschränkt werden, vielmehr für bestimmte Jahrgänge als Verhaben im Rahmen des grenzüberschreitendes Lernens in unterschiedlichen Formen festgelegt werden.
Die Erfahrungen des Biome-Projekts zeigten weiterhin, daß sehr schnell riesige Datenmengen auflaufen, die gesichtet und ausgewertet werden müssen. Es wäre allerdings zu prüfen, ob in Projekten die Lehrerinnen und Lehrer eine Entlastung erfahren und die Schulerinnen und Schüler eine wichtige Rolle bei der Materialauswahl übernehmen könnten.
Es ist sicherlich auch zu überlegen, ob es nicht zu einer kursübergreifenden Zusammenarbeit kommen sollte - z. B. bei der Übersetzung von Texten - um so die für das Projekt arbeitenden Schülerinnen und Schüler zu entlasten.
Oft entziehen sich Telekommunikationsprojekte einer präzisen Planung auch aufgrund von kaum zu beeinflussenden Faktoren wie schulfreien Terminen, Krankheiten oder Unzuverlässigkeiten von am Vorhaben Beteiligten. Es ist dann oft schwer, die eigenen Schulerinnen und Schüler nicht zu frustrieren, wenn Antworten auf ihre Beiträge ausbleiben.
Nicht immer werden bei Telekommunikationsprojekten die unterschiedlichen Anspruchs- und Leistungsniveaus aufgefangen werden können. So muß vor Beginn des Vorhabens geprüft werden, welche Leistungen von den Schülerinnen und Schülern verlangt werden und ob die voraussichtlich geforderten Arbeiten von ihnen auch faktisch an der Schule durchgeführt werden können.
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