PROBLEM
Was haben diese Dinge gemeinsam?
- Zuhören in einer Konferenz
- Korrigieren von Klassenarbeiten
- Lesen eines Internetartikels
- Ausräumen einer Spülmaschine
- Autofahren
- Dösen
Bei diesen Tätigkeiten können uns urplötzlich Ideen kommen. So wie auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Oft aber sind Einfälle nach wenigen Sekunden wieder verschwunden. Im besten Fall kommen diese Gedankeninhalte nach kurzer Zeit wieder zurück: wir erinnern uns erneut an sie.
Manchmal bemühen wir uns intensiv, einen Gedanken zurückzugewinnen, er bleibt aber verschwunden, so sehr wir uns auch bemühen.
Oft ist es auch so, dass er vergessen wird oder zu anderen, oft unpassenden Gelegenheiten erneut auftaucht.
Wir wollten gerade einen Termin beim Orthopäden ausmachen, doch da klingelt das Telefon und die Klassenpflegschaftsvorsitzende ruft an und erkundigt sich nach dem Stand der Klassenfahrt. Nach dem Telefonat ist der Gedanke verschwunden.
Abends sitzen wir mit Freunden in einem Restaurant. Der Rücken schmerzt. Da ist der Gedanke wieder. Wir wollten doch beim Orthopäden anrufen. Aber jetzt ist natürlich der Zeitpunkt für einen Anruf beim Arzt nicht möglich.
Nach den Erkenntnissen der Kognitionspsychologie, speziell der Gedächtnispsychologie, behalten wir für einen Zeitraum von 10 bis 20 Sekunden vier bis maximal sieben Inhalte im Kurzzeitgedächtnis .1 Das ist nicht viel. Das Kurzzeitgedächtnis ist also offensichtlich nicht als längerfristiger Speicher vorgesehen, den wir beliebig abrufen können.
Auch geht unser Gehirn beim Produzieren von Gedanken nicht systematisch vor, benutzt offensichtlich keine Struktur. Es ist wie ein Wasserfall, der laufend Neues produziert, Wichtiges und Unwichtiges, Altes und Neues, Angenehmes und Unangenehmes.
Einer wichtigen Aufgabe, etwa dem Entwurf eines Mentorenberichts, der dringend zu erledigen ist, folgt sofort ein Einfall für unseren nächsten Urlaub oder ein Gedanke an einen Schmetterling. Da ist die Aufgabe oft schon wieder vergessen. Sie kommt aber – häufig zu einem ungünstigen Zeitpunkt – wieder zurück. Das erzeugt in uns eine unbestimmte Unruhe, etwas noch nicht erledigt zu haben. Sind es viele Aufgaben, die uns bedrängen, zieht dies Stress nach sich, was erwiesenermaßen ungesund ist.
Es ist also sinnvoll, sich mit diesem Sachverhalt für das eigene Leben einmal Zeit zu nehmen. Wir müssen uns mit diesem Mechanismus in Ruhe beschäftigen, weil uns andernfalls oft wichtige Dinge unseres beruflichen und privaten Lebens verlorengehen und – zusätzlich zu der Unruhe unserer Umwelt – somit weitere unnötige Belastungen hinzukommen.
LÖSUNGSVORSCHLAG
Es soll hier eine minimalistische Lösung vorgeschlagen werden, die ohne großen Aufwand durchgeführt werden kann. Sie folgt vier Maximen, die hier kurz erläutert werden.
1. ALLE wichtigen Einfälle werden schriftlich festgehalten.
Da, wie oben aufgezeigt, Gedanken äußerst flüchtig sind, ist es notwendig, sie sofortfestzuhalten, und zwar in schriftlicher Form. Nur das sichert ab, dass Einfälle nicht wieder vergessen werden. Unsere Ideen bergen ein enormes produktives Potential, und es wäre misslich, dieses zu vernachlässigen. Die schriftlich gesicherte Form garantiert zudem, dass die Gedanken später weiterverarbeitet werden können.
2. Einfälle werden in einem System festgehalten, auf das wir uns hundertprozentig verlassen können.
Wenn ich mir Einfälle notiere, muss ich sicher sein, dass diese nicht verloren gehen oder von mir später übersehen werden.
In Beratungen zum Zeitmanagement zeigt sich immer wieder, dass Menschen viele verschiedene Orte haben, um Dinge zu notieren:
- Notizzettel
- Post-Its
- Buchränder
- Kalender
- Karteikarten
- DIN A4-Bögen
- Ordner
- Monatsübersichten
- Ordner etc.
Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Die Vielfalt der verwendeten Medien führt aber oft dazu, dass Dinge übersehen werden. Das System ist somit nicht verlässlich und schafft keine innere Ruhe. Es ist deshalb unabdingbar, sich zunächst Gedanken über ein Aufbewahrungssystem zu machen, das den eigenen Vorlieben entspricht und das Vertrauen gibt, dass unsere Einfälle sicher abgelegt sind.
Hierzu überlege man sich zunächst, ob man lieber mit Bleistift und Papier oder mit digitalen Medien arbeitet oder mit beiden Instrumenten. Auch sollte die Zahl der verwendeten Medien begrenzt sein. Das führt zur letzten Regel:
3. Keep it simple – das Sicherungssystem muss einfach sein.
Die obige Liste der Notierungsmöglichkeiten zeigt, dass das Festhalten von Einfällen auf vielen unterschiedlichen Medien schnell zur Unübersichtlichkeit führen kann. Wenn ich meine Einfälle auf diversen Medien wie den eben genannten festhalte, führt dies schnell dazu, dass ich die einzelne Notiz nicht wiederfinde. So lande ich dann bei ablenkenden Fragen wie:
- Ist die Aufgabe, die ich mir notiert habe, auf einem Zettel?
- Wo ist dieser Zettel?
- Oder habe ich ein elektronischen Medium verwendet?
- Wenn ja, welches?
- Ist die Notiz vielleicht schon weggeworfen worden? etc.
Es kommt aber darauf an, das Sicherungssystem minimalistisch zu halten. Es soll sich auf ein bzw. maximal zwei Medien beschränken – nicht mehr.
Hier soll daher ein einfaches System vorgeschlagen werden, das sich in der beruflichen und privaten Praxis gut bewährt hat und leicht ständig einsetzbar ist.
- Smartphone mit Notizfunktion
Die meisten Menschen führen heute Smartphones bei sich. Diese Geräte haben in der Regel ein Notizprogramm, in dem die Einfälle kurz festgehalten (eingetippt) werden. Noch schneller geht es mit der Diktierfunktion.
So braucht man oft nur eine bestimmt Taste zu drücken und beispielsweise folgende Anweisung geben:
Neue Notiz: Eltern von Tobias Müller anrufen.
Schon hat die Software eine neue Notiz erstellt und den Einfall – sei es eine drängende Aufgabe oder eine wichtige Information – festgehalten, ohne dass ich durch Tipparbeit behindert wurde bzw. den Gedanken dabei wieder vergessen habe. Beispielhaft seien hier genannte die Programm Notizen für iPhones und Google Notizen für Androidgeräte.
- Notizbuch mit integriertem Bleistift
Viele Menschen benutzen gerne Papier und Bleistift, um ihre Gedanken festhalten. Für unsere Zwecke bietet sich ein Notizbuch an, an dem ein Bleistift befestigt ist.2 Man hat dadurch jederzeit Papier bei sich und braucht nicht nach einem Schreibgerät zu suchen. Andernfalls wäre hier bei der Suche nach einem passenden Bleistift der Gedanke vielleicht schon wieder vergessen.
Je nach Gusto kann man beide Varianten – Smartphone und Notizbuch – für das Festhalten eigener Einfälle nutzen, möglicherweise kommt man aber mit einem Medium aus. Nach unseren Erfahrungen hat erstere Variante bei vielen Teilnehmern unserer Seminare zum Zeitmanagement zu deutlich mehr Erfolg und Zufriedenheit geführt.
Wir haben nun durch relativ einfache Methoden und Medien sichergestellt, dass unsere Einfälle nicht mehr vergessen werden. Das führt zu einer deutlichen Entlastung des Gehirns, denn es ist nicht mehr ständig damit beschäftigt, uns mitzuteilen, dass noch an etwas erinnert werden muss. Wir wissen ja, dass die Dinge sicher aufbewahrt sind.
4. Die Einfälle müssen nun regelmäßig ausgewertet werden.
Es ist aber wenig produktiv, die am Tag notierten Einfälle im Speicher zu belassen. Vielmehr ist es notwendig, diese regelmäßig auszuwerten, etwa täglich oder wöchentlich. Eine der erfolgreichsten Methoden, um die Aufgaben und Informationen des Tages später zu bearbeiten, ist das Getting-Things-Done-Verfahren (GTD-Methode) des führenden Zeitmanagement-Experten David Allen.
Allen hat dazu in seinem Buch Getting Things Done: The Art if Stress-Free Productivity eine erfolgreiche Methode entwickelt, mit der dann entsprechend weitergearbeitet werden kann:
- Sammeln aller verfertigten Notizen in einem „Eingangskorb“
- Verarbeiten: abklären, was genau bei einer Notiz zu tun ist; andernfalls sie als wichtige Information in einem Ablagesystem festhalten oder sie ganz löschen.
- Organisieren: die Dinge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bearbeitet werden müssen, in den Kalender eintragen, andernfalls sie in eine Liste (Kontext-Liste) einordnen, die den Arbeitsort bzw. das Arbeitsmedium enthält (Computer, Telefon, zuhause, Büro, Auto, Mail etc.). Man arbeitet die Aufgaben erst dann ab, wenn man am entsprechenden Arbeitsort ist oder Zeit für das Medium hat, etwa 20 Minuten alle Mails erledigen oder 30 Minuten alle Anrufe erledigen.
- Überprüfung (Review): Durchgehen aller meine Projekte und Kontext-Listen, etwa in einer Stillen Stunde.
- Tun: Die Aufgaben listenweise – je nach Arbeitsort und zur Verfügung stehender Zeit – dann tatsächlich bearbeiten.
Das Tagesseminar Effektives Zeitmanagement für Schulleitungen nach der GTD-Methode führen wir wieder am Mi, 15. November 2017, im Park Inn Hotel by Radisson Düsseldorf durch. Zur Anmeldung
Zusammenfassung
Es wurde ein einfaches, wenig aufwendiges System beschrieben, um die eigenen Einfälle des Tages sicher festzuhalten. KEEP IT SIMPLE war dabei der grundlegende Modus. Mithilfe eines Smartphones und/oder eines Notizbuchs mit Bleistift können wir unsere Gedanken produktiv nutzen. Kein Einfall geht mehr verloren, die anstehenden Aufgaben werden tatsächlich erledigt, die erinnerten Informationen werden gesichert. Dadurch entsteht nicht mehr das Gefühl, etwas könnte vergessen worden sein oder drängende Aufgaben nerven zu unpassenden Zeiten. Das führt zu deutlich mehr Entspannung und Gelassenheit in Beruf und privatem Alltag – ein nicht zu unterschätzender Vorteil in einer hektischen, lauten Welt.
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1 Miller, G.A.: The Magical Number Seven, Plus or Minus Two Some Limits on Our Capacity for Processing Information. Psychological Review, Vol. 101, No. 2, 343-352.
Michael
Dieser Artikel ist sehr hilfreich und beschreibt mein Problem, beziehungsweise bestätigt meinen Lösungsansatz „Idee sofort notieren“. Dazu nutze ich ausschliesslich digitale Medien. Nun kommen mir Gedanken oft beim Autofahren (Rückweg vom Geschäftstermin, alleine im Auto: „ah das muss ich noch testen/zuschicken“
Ich suche nun noch eine Lösung, diese Gedanken sofort festzuhalten. Bisher habe ich keine praktikable Lösung gefunden. Eine Idee war die „Sprach-Memo“ Funktion von iOS zu nutzen. Diese lässt sich aber scheinbar nicht über Apples CarPlay aufrufen, also müsste ich das Handy in die Hand nehmen – NoGo. Hat der Autor oder ein anderer Kommentator eventuell einen Hinweis für mich? Ob der Gedanke dann als Audio oder als Transkription in Textform gespeichert wird, ist mir erstmal egal, Hauptsache die Information bleibt erhalten.
Ich wäre für Lösungsansätze dankbar
AHS-Institut
Es wäre abzuwarten, bis CarPlay diese Funktion freigibt.