Hansen, V. „Internet-Projekt ‚Ida Fink’. Israelische und deutsche Jugendliche lesen gemeinsam Kurzgeschichten zum Holocaust. Computer + Unterricht, Sammelband Netzwärts: Wege in die Wissensgesellschaft, 2000, S. 37-41.
C+U: Konnten Sie bei diesem Projekt ein besonderes Lernverhalten feststellen im Gegensatz zum herkömmlichen Unterricht?
Volker Hansen: Auffällig war die hohe Motivation – nicht unbedingt die Regel im Englischunterricht dieser Altersstufe -, die im Rahmen des Projekts deutlich zu Tage trat. Daneben bot das lda-Fink-Projekt für die Jugendlichen sehr viele Möglichkeiten, eigenständig – allein oder in einer Kleingruppe – bestimmte Arbeitsaufgaben zu übernehmen, vor allem Informationen zu beschaffen, die dann für den Unterricht und den Austausch genutzt werden konnten. Durch die breite Anlage – immerhin dauerte das Vorhaben etwa fünf Monate – ergab sich zwangsläufig auch ein kontinuierliches Arbeiten über einen längeren Zeitraum, der sich wohltuend von der oft kurzatmigen Unitbearbeitung des herkömmlichen Englischunterrichts abhob.
Nehama HoItz: Yes, I certainly have. The students felt that they had to read the material more carefully and answer the questions in a more serious way since they were more committed to their pen pals abroad. Many of them asked questions they generally wouldn’t ask, because they felt they represented their school and their class.
As a result, some of them used dictionaries and encyclopedias to learn about some terms they were not familiar with.
C+U: Welche individuellen Lernzuwächse – sprachlicher und kognitiv-emotionaler Art – konnten Sie feststellen?
Volker Hansen: Aus sprachlicher Sicht war es von großem Vorteil, dass alle Beteiligten eine Vielzahl von unterschiedlichen Textsorten erstellen mussten, vor allem Briefe, Inhaltsangaben, Kommentare, die – auch wieder anders als im traditionellen Fremdsprachenunterricht – in einen echten Zusammenhang eingebettet waren. Daneben wurden sie mit sehr breitem authentischen Material aus dem Internet konfroniert, Material, das nicht von Schulbuchautoren didaktisiert worden war. Die Möglichkeit des Austauschs persönlicher Dinge mit dem jeweiligen Partner war zudem für die Motivation der Jugendlichen von großer Bedeutung.
Nehama Holtz: It is very difficult to measure the progress each student made in terms of language, cognition and emotion, but in most cases the students enriched their vocabulary.
Although the subject of Second World War and holocaust are taught quite a lot in High Schools in Israel, it was the first time for the students to discuss it in a foreign language – English. It forced them to use the dictionary or turn to the teacher for help. Since the stories of Ida Fink deal with a traumatic subject for both, Jewish and German youngsters, the emotional involvement and the possibility to discuss the past in an indirect way – through literature – contributed a lot to overcome some superstitions and stigmas related to racism and intolerance.
C+U: Welchen Anteil hatte die Telekommunikation in Bezug auf das Erreichen dieser Ziele?
Volker Hansen: Durch die Einbindung der Telekommunikation in den Englischunterricht konnte ein natürlicher Zusammenhang mit einer weit entfernten Partnerklasse geschaffen werden, aus dem heraus sich viele Aufgaben des Unterrichts ableiten ließen. Durch die Möglichkeit des blitzschnellen Austauschs von Nachrichten sowie der Einbeziehung von politischen Ereignissen des Tagesgeschehens in den Unterricht war zudem eine hohe Aktualität gegeben.
Nehama Holtz: The immidiacy of the correspondence, and the fact that people from abroad can be as close and direct as friends in class, made the project more effective.
The anonymous media of the screen and the keyboard opens up very often the mote withdrawn youngsters who are shy or scared of criticism in a regular classroom environment.
C+U: Gab es aus Ihrer Sicht Unterschiede zwischen deutschen und israelischen Schülern?
Volker Hansen: Diese Frage kann nur sehr vorsichtig beantwortet werden. Mein Eindruck ist, dass die Einschätzungen der israelischen Jugendlichen reifer wirkten, verständlich durch ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Holocaust, wohl aber auch durch die Tatsache ihres bevorstehenden Militärdienstes. Unsere Lerngruppe hier war multikulturell zusammengesetzt. Solche Fragen nahmen zu Beginn des Projekts bei ihr keinen hohen Stellenwert ein, zumal sie auch nicht zu den herkömmlichen Aufgaben des Fremdsprachenunterrichts gehören. Hier hat aber – so weit dies aus dem Unterricht zu entnehmen war – die gemeinsame Beschäftigung mit der Vergangenheit wichtige Erkenntnisprozesse in Gang gesetzt.
Nehama Holtz: The main difference between the German and the Israeli pupils was their basic knowledge of the historic events. The Israeli students learn a lot about the holocaust and many of them are more familiar with the subject than their penpals.
Since they hear many stories from their grandparents they are often more prejudiced and less open than German pupils. They tend to generalize. The project changed this attitude.
C+U: Um die pädagogischen Möglichkeiten der Telekommunikation zu betonen, heißt die Initiative in Nordrhein- Westfalen „NRWSchulen ans Netz – Verständigung weltweit“. Sind Sie mit dem Ida-Fink Projekt dem Ziel interkultureller Verständigung näher gekommen?
Volker Hansen: Ich glaube ja. Ein derartig schwieriges Unterfangen wie die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ist über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg mit israelischen Jugendlichen auf der einen und deutschen und muslimischen auf der anderen Seite durchgeführt worden. Schon diese Tatsache ist ein wichtiger Erfolg. Alle Beteiligten haben hier mit Hilfe der Telekommunikation zumindest die Erfahrung gemacht, dass ein solches Gespräch möglich und auch sinnvoll ist, wohl aber auch, wie wichtig – auch bei unterschiedlichen Sichtweisen und kulturellen Erfahrungen – eine offene Diskussion miteinander ist. Für mich am überraschendsten war, dass in den Fragen der Interpretation des Verhaltens der verschiedenen literarischen Personen bei beiden Gruppen häufig eine ähnliche Einschätzung bestand.
Nehama Holtz: I certainly did. I think that the project enabled youngsters from two different parts of the world to get closer, share ideas, find similarities and understand one another better. It made them look not just at the painful past but also motivated them to think about racism, intolerance and prejudice in the present, in the community where they live.
Im Gespräch mit C + U (Norbert Subroweit) ziehen die Initiatoren des Ida-Fink-Projekts, Volker Hansen und Nehama Holtz, Bilanz. In: Computer + Unterricht. Sammelband: Anregungen und Materialien für das Lernen in der Informationsgesellschaft. Friedrich Velber Verlag/Klett-Verlag 2000, S. 40.
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